Sonntag, April 23, 2006

"We are born mad" - Zum 100. Geburtstag von Samuel Beckett

"They give birth astride of a grave, the light gleams an instant, then it's night once more". Sie gebären über einem Grab, das Licht glänzt vor eine Moment, bevor es wieder Nacht wird, lässt Samuel Beckett Pozzo in seinem wohl berühmtesten Stück Waiting for Godot über das den Menschen und das Leben schlechthin sagen. Welch ein Bild für die menschliche Existenz, geprägt vom Zerfall und vom Warten auf den Tod.

Samuel Becket, neben dem Nobelpreisträger Harold Pinter, wohl einer der bedeutendsten Vertreter des Absurden Dramas wäre in diesen Tagen 100 Jahre alt geworden. "Wir haben ihn überlebt, aber wir werden ihn nicht überwinden", schreibt Peter Kümmel [mehr....]. Wie kaum ein anderer Schriftsteller hat Beckett die Absurdidät des Daseins auf die Bühne gebracht. Seine Figuren sind gescheiterte Existenzen wie Wladimir und Estragon in "Godot", die ihr sinnloses Leben nur mit Warten verbringen können, aber auch nicht fähig sind ihrem Dasein aktiv ein Ende zu setzen. Oder Hamm in Endgame, der queschnittsgelähmt und blind seinen Diener Clov, der seinerseits nicht mehr sitzen kann, quält. Vor allem in Hamm's Eltern, die ohne Unterleib in einer Tonne mit Sand leben, zeigt Bekett, dass Leid die Grundbefindlichkeit des Menschen ist, ein Leben, verkrüppelt und ohne Würde. Für Beckett gibt es keine unerschüttlichen Glaubensätze und Gewissheiten mehr. Damit gibt er - und mit ihm die anderen Vertreter der absurden Dramas - dem Theater seine eigentlich religiöse Aufgabe zurück, indem das Theater "....den Menschen mit dem Bereich des Mythos und des Religiösen konfrontiert. Wie die antike Tragödie, die mittelalterlichen Mysterienspiele oder die barocken Allegorien, so will das Theater des Absurden dem Zusachuer die prekäre, rätselhafte Situation des Menschen im Universum vor Augen führen." (Esslin, Das Theater des Absurden"1995, 311)

Mein Lesetipp: "Das Endspiel" - dieses Buch gehört für mich in den Kanon der bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts.

Donnerstag, April 06, 2006

Über Chats, Internet Communities und andere Dinge - Ein Kommentar

Dies ist nun kein ausgesprochener Literatur- oder Buchtipp. Aber geht es in der Literatur nicht auch um Beziehungen, etwa um die Beziehung eines Autors mit seinen Figuren oder mit dem Leser? Auch in Chats oder Internet-Communities geht es um Beziehung, um Sprache und Kommunikation, wenn auch nicht in erster Linie um Literatur im eigentlichen Sinne.

Wie ihr vielleicht schon mit bekommen habt, wurde an unserer Schule der Zugang zur Internet-Community Kwick gesperrt. Ich selbst halte Chats für eine wichtige Form der Kommunikation, die neben der Selbstdarstellung auch einen wichtigen Beitrag zu sozialer Interaktion leisten kann. Schließlich geht es bei Kwick ja nicht nur ums Chatten, sondern man kann ja auch Blogs führen, sich in Clans organisieren, sich zu allen möglichen Themen äußern und andere Meinungen kommentieren, eigene Artikel veröffentlichen und vieles mehr.

In meiner Recherche zum Thema Chat bin auf die Homepage von Nicola Döring gestoßen. Frau Döring, Professorin an der Ilmenau-Universität für Technologie im bereich Medien und Kommunikation, beschäftigt sich wissenschaftlich mit diesem Thema. Sie schreibt:

„Das Online-Chatten als zeitgleiche computervermittelte Kommunikation ist beides: Vertraut und neu. Etablierte Kommunikationsformen dienen als Vorlage und als Kontrast. Man spricht davon, sich im Chat "getroffen" und miteinander "geredet" zu haben. Man freut sich, dass Bekannte "auch da sind". Man "küsst" und "knuddelt" sich.“ (3) Sie interessiert an den Chats vor allem die sozialpsychologische Sicht, da es hier ja um die Konzepte von Identität, sozialer Beziehung und Gruppe gehe (2)

In ihrem Artikel Sozialpsychologische Chat-Forschung: Methoden, Theorien, Befunde.Chat-Kommunikation. Sprache, Interaktion, Sozialität & Identität in synchroner computervermittelter Kommunikation. Perspektiven auf ein interdisziplinäres Forschungsfeld, Stuttgart, 141-186 (die Seitenzahlen hier beziehen sich die Manuskript-Version, die sie mir freundlicherweise geschickt hat) geht sie neben der Beschreibung unterschiedlicher Forschungsansätze zum Thema auch auf das Thema der so genannten virtuellen Identitäten im Chat ein (22ff). Dabei macht sie auch deutlich, dass die Positionen sowohl der Chat-Kritiker, die die Selbstdarstellungen in den Chats als Maskerade oder beliebiges „Identitäts-Hopping“ bezeichnen, als auch die der Befürworter, die in den Chats neue Möglichkeiten der Selbsterkenntnis und Identitätsentwicklung sehen, relativiert werden müssen. (22) Allerdings gehe es bei der Wahl des Nickname aber nicht um primär darum den realen Namen zu verschleiern, sondern um damit Aufmerksamkeit zu erregen. Mit Ausnahme bestimmter Chatter-Typen scheinen die meisten Chattenden, eine Selbstdarstellung zu praktizieren, die sich an relevanten Selbstaspekten orientiert und damit der Chat-Kommunikation persönliche Bedeutung verleiht...“ (23).

Im weiteren führt sie aus, dass auch Chat-Kontakte in den Aufbau sozialer Beziehungen münden können. Es könnten sogar enge Freundschaften dabei entstehen (S. 23), was ich persönlich bestätigen kann. In den Tagen, als mein Vater im Sterben lag, beantwortete ich die einfache Frage "Wie geht's Dir", die mir einige meiner Kontakte gestellt haben, wahrheitsgemäß. Was ich dann an Verständnis, Trost, Zuwendung und Wärme bekam von Menschen, die ich vorher eigentlich nicht gekannt hatte, hat mir in den Tagen des Abschieds sehr geholfen und gut getan. Im übrigen, so sagt Döring, könne der Chat bestehende Beziehungen verändern, denn:

„Mit der Veralltäglichung des häuslichen und beruflichen Netzzugangs in immer größeren Bevölkerungskreisen wird sich der Chat (insbesondere in der Variante Instant Messaging) auch als Medium innerhalb bereits etablierter beruflicher und privater Beziehungen einen Platz erobern.“ (24)

Über Online-Communities – und darum handelt es sich ja bei Kwick – werde so Nicola Döring ähnlich wie bei den Chats polarisiert. So sei der Vorwurf, es handle sich hier um bloße Pseudo-Gemeinschaften, weder theoretisch noch empirisch haltbar. Man müsse die Innenwelt von Chat-Gemeinschaften und ihre Beziehung zu Außenwelt genauer analysieren. (24). Sie schlage sich die Existenz einer virtuelle Gemeinschaft u.a darin nieder,

„...dass diese Binnenkommunikation im Forum zu einem nennenswerten Teil auf die Gemeinschaftsbildung Bezug nimmt: Die Existenz von kommentierten Mitgliederverzeichnissen, schriftlichen Verhaltensregeln (Chattiquetten), Erfahrungsberichten von Channel-Parties (vgl. Seidler, 1994), Mythen, Ritualen, Klatschgeschichten und Fotoalben beweist, dass die Forums-Mitglieder eine eigene Kommunikationskultur etablieren und sich damit als Gemeinschaft von anderen Foren abheben.“ (25).

Ohne die gefährlichen Seiten des Netzes zu ignorieren, etwa der Suchtgefahr, sieht Professor Döring durchaus die positiven Seiten von Chats und Internet-Foren, da diese ungewohnten Sozialkontakte eine Faszination ausüben und sogar ein „Flow-Erleben“ ermöglichen können. (29)

Welche Position jemand zum Thema Chat, Internet, News Groups usw. auch immer einnimmt, so müssen doch die grundsätzlichen Wertfragen gestellt und diskutiert werden, so Döring, etwa, was in unseren Augen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung ist. Nur weil wir es ablehnen oder etwas nicht verstehen, heisst das noch lange nicht, dass es dann sinnlos und Zeitverschwendung ist. Dieser Kommentar versteht sich als Beitrag zu dieser Diskussion. Denn wir sollten unsere Schüler auch anleiten reflektiert und kritisch mit diesen neuen Möglichkeiten der Kommunikation um zu gehen.

„Für Eltern und Schule lautet die medienerzieherische Aufgabe, Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung von Kompetenz, Urteilsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Medien und Informationstechnologien zu unterstützen.“, schreibt Daniel Amman. (Schön dich zu lesen: Chatten im Internet, 29).

Das kann meiner Meinung nach nicht durch eine grundsätzliche Einschränkung bestmmter Seiten, was im Grunde auch dem ersten Leitbildsatz unserer Schule widersprechen würde. Vielleicht sollten wir einfach mal mit unseren Schülern chatten oder uns mit Ihnen in Kwick treffen.

Was also ist Eure Meinung dazu? Warum seid ihr in Kwick? Was fasziniert Euch an dieser Community? Ich warte auf Eure Kommentare. Das Thema Chat ist im übrigen wissenschaftlich sehr gut erforscht. [Mehr zum Thema Chat.....]


Montag, April 03, 2006

Der Ball ist der springende Punkt" von Doro

"Der Ball ist der springende Punkt"...
"Wir im Finale" in Erlangen und ganz Deutschland

... wer sich mal wieder ins Theater wagen will und außerdem eine kleine Einstimmung zur Fußball-WM nötig hat: dafür ist dieses Stück genau das richtige. Uraufgeführt 04 am theaterhaus in Jena wird "Wir im Finale" von Marc Becker nun noch einmal in der alten Besetzung in Erlangen gezeigt (07. -09. Mai, der Vorverkauf läuft schon!). Wer es nicht allzu weit hat, sollte diese Gelegenheit unbeding nutzen (Sonntags findet die Vorstellung auch schon um 18 Uhr statt). Auch für Leute mit wenig Ahnung über den Sport ist dieser Abend unglaublich unterhaltsam: Eine Liebeserklärung an der Fußball mit viel Ironie und einem Augenzwinkern über die Mentalität der Deutschen, wenn es so etwas überhaupt gibt! - Perfekt also, um sich auf einen Fußball - Sommer einzustimmen (oder auch mental vorzubereiten). Eine kleine Tournee durch ganz NRW ist angekündigt, außerdem wird das Stück anlässlich der WM mittlerweile auch in vielen anderen Theatern in Deutschland(in anderen Inszenierungen) gezeigt. Ein bisschen Nachforschen lohnt sich auf jeden Fall!